Yoga und Pilates – fernöstliche Tradition und westliche Trainingsmethode

Kaum ein Fitnessstudio kommt heutzutage ohne mindestens einen Yoga- und Pilates-Kurs aus. Beide Trainingsmethoden liegen in Deutschland voll im Trend – ob im Fitnessstudio, an der Volkshochschule oder in den eigenen vier Wänden. Neben den Körperübungen, die beide Formen miteinander verbindet, spielen vor allem die Atemtechniken und die mit den Übungen verbundenen Trainingsziele eine wesentliche Rolle. Doch was verbirgt sich hinter den beiden Konzepten? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es? Und welche Geräte und Bekleidung wird für die Ausführungen der Übungen benötigt?

Yoga, was ist das?

Yoga stammt aus dem Sanskrit und bedeutet wörtlich „Joch“ und steht auch für „anjochen“, „zusammenbinden“, „anspannen“ und „anschirren“. Unter Yoga wird heute eine indische philosophische Lehre verstanden, die mit einer ganzen Reihe von körperlichen und geistigen Übungen verbunden ist. Unter dem Begriff Yoga kann man sowohl eine „Vereinigung“ oder „Integration“, aber auch das „Anspannen“ und „Anschirren“ der Körpers an die Seele verstanden werden.

Frau macht Yoga Übung ©byheaven / Fotolia.com
Yoga ist eine indische philosophische Lehre, die mit körperlichen und geistigen Übungen verbunden ist. Ashtanga Yoga ©byheaven / Fotolia.com

Ziel ist die Sammlung und Konzentration und damit das „Eins-werden“ mit dem Bewusstsein. Heute gibt es viele verschiedene Formen dieses Trainings, die oft eine eigene Philosophie und praktische Umsetzung aufweisen. In Europa und Amerika hat man bis vor kurzem mit der Lehre fast ausschließlich die körperlichen Übungen in Verbindung gebracht.

Das heute im Westen gelehrte Yoga basiert auf der ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen modernen Form. Das traditionelle indische Yoga unterscheidet sich wesentlich von den europäisch und amerikanisch geprägten modernen Lehren. Es enthält wesentlich komplexere Lehren und Praktiken.

Die Wurzeln des Yogas finden sich in der indischen Philosophie, im Hinduismus und in einigen Teilen des Buddhismus. Der Mensch wird als ein Reisender gesehen, dem der materielle Körper als Wagen dient. Gelenkt wird der Wagen von Kutscher, dem Verstand. Gezogen wird der Wagen von fünf Pferden, die die fünf Sinne (Sehe, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) entsprechen. Der Reisende im Wagen ist die Seele. Das Pferde, Wagen, Kutscher und Reisenden verbindende Element, ist das Geschirr – indisch „Yoga“.

Wie Yoga lernen?

Moderne Übungen verfolgen in der Regel einen ganzheitlichen Ansatz, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringen sollen. Gelehrt wird der Sport in westlichen Ländern meistens durch Trainer, seltener durch Yogis, in Form von Unterrichtseinheiten. Dabei werden Asanas (überwiegend ruhende Körperstellungen) Phasen der Tiefenentspannung, Atemübungen und Meditationsübungen miteinander kombiniert. Benötigt wird dafür nicht viel: lediglich eine Matte, auf der die Übungen (Asanas) durchgeführt werden, und bequeme Kleidung.

Ziel bei der Ausführung der Körperstellungen ist die Verbesserung des Zusammenspiels von Körper, Geist und Seele. Darüber hinaus wird der Atem kontrolliert und die Konzentration verbessert. Insgesamt werden durch das Training eine verbesserte körperliche und geistige Vitalität sowie gleichzeitig eine Haltung der inneren Gelassenheit angestrebt.

yoga_training ©Rainer S./ forumhome.com
yoga_training ©Rainer S./ forumhome.com

Eine der traditionellen Auffassungen des Yogas besagt, dass die Kombination von verschiedenen Körperhaltungen und Bewegungsabläufen, die Atemführung, innere Konzentrationspunkte und der Gebrauch von Meditationsworten oder Klangsilben (sogenannte Mantras) sowie verschiedenen Körperhaltungen in Verbindungen mit Handgesten (sogenanntes Fingeryoga) die Lebensenergie des Individuums stimulieren soll. Dadurch soll die Energie zu den Energiezentren des menschlichen Körpers (Chakren) aufsteigen.

Folgende Richtungen und Schulen dieser Lehre sind bekannt und werden auch im Westen unterrichtet. Die Auflistung ist jedoch bei weitem nicht vollständig und umfasst nur einen winzigen Bruchteil der verschiedenen Schulen und Stile:

  • Hatha Yoga: Dabei handelt es sich vor allem um körperbetonte Praktiken, die sich unter diesem Oberbegriff zusammenfassen lassen. Besonders in Europa und Nordamerika verbreitet ist das Ivengar Yoga, bei dem auch einfache Hilfsmittel für die Übungen eingesetzt werden.
  • Art of Living: Das ist eine Mischung aus Körperübungen, Atemtechniken und einer im praktischen Alltag einfach anzuwendender Philosophie. Innerhalb von Art of Living werden noch weitere Richtungen unterschieden. Allen gemeinsam ist eine reinigende Atemtechnik (Sudarshan Kriva), bei der die sieben Ebenen der Existenz miteinander in Einklang gebracht werden sollen.
  • Sivananda Yoga: Dies ist eine klassische ganzheitliche Form des Yogas, die alle bekannten Yoga-Systeme in sich vereint. Daher ist Sivananda Yoga auch als „integrierendes“ System bekannt. Auch hier gibt es innerhalb der Richtung unterschiedliche Strömungen mit verschiedenen Schwerpunkten.
  • Jnana Yoga: wird auch „Yoga der Stille“ genannt und kommt gegenüber allen anderen Formen ohne körperliche Übungen aus. Hier steht das Streben nach Selbsterkenntnis im Vordergrund.

Unabhängig von den klassischen Schulen hat sich im 20. Jahrhundert das „moderne Yoga“ gebildet, von dem sich im Rahmen der Wellness- und Fitnesstrends unzählige neue Arten und Ausrichtungen ableiten lassen. Der Schwerpunkt des modernen Trainings liegt auf der Praxis – unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Er kann sowohl meditativ als auch körperbezogen sein. In diesem Zusammenhang wird der Sport  mit dem Hinweis auf seine positiven Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele als eine Art individuelle Bereicherung betrachtet oder gar als Instrument der persönlichen Entwicklung verstanden. Daher gibt es keine Verhaltensvorschriften, sondern nur Empfehlungen für die Lernenden. Die Methoden zur Reinigung werden beim modernen Yoga nach ihrer gesundheitsfördernden Wirkung bewertet.

Warum Yoga gesund ist

Zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Yogalehre gibt es jede Menge Untersuchungen. Unstrittig sind die positiven Effekte auf die physische und die psychische Gesundheit. Unter Umständen können mithilfe dieses Trainings auch unterschiedliche Krankheitsbilder gelindert werden. Gute Erfahrungen hat man beispielsweise bei Durchblutungsstörungen, Schlafstörungen, Angststörungen, Depressionen, chronischen Kopfschmerzen und Rückenschmerzen gemacht. Die Krankenkassen übernehmen im Rahmen des Präventionsprinzips die Kosten für entsprechende Kurse zur Vermeidung spezifischer Risiken und stressabhängiger Erkrankungen.

Durch die Körperübungen dieses Sports werden Kraft, Muskelausdauer, Flexibilität und der Gleichgewichtssinn trainiert. Dadurch wird die Durchblutung gefördert und die Rückenmuskulatur gekräftigt, was zu einer insgesamt besseren Körperhaltung führt.

Darüber hinaus hat Yoga auf die meisten Menschen eine beruhigende und entspannende Wirkung. Durch die eintretende Entspannung kann man effektiv Stress vorbeugen und entgegenwirken. Die Mediation kann zur Selbstreflektion genutzt werden, was zum Beispiel zu positiv gestalteten zwischenmenschlichen Beziehungen führen kann.

Pilates, was ist das? Westliches Yoga?

Beinahe zeitgleich zum Aufschwung und der Verbreitung von Yoga in Europa und Nordamerika in den vergangenen Jahren, fand auch Pilates immer mehr Anhänger. Pilates wurde 1920 als Körperschule von dem in die USA eingewanderten deutschen Joseph Hubertus Pilates (1883 – 1967) entwickelt. Vielfach wird Pilates auch als westliche Yoga-Form bezeichnet.

pilates ©Rainer S./ forumhome.com
pilates ©Rainer S./ forumhome.com

Diese Vorstellung kommt nicht von ungefähr, denn Inspiration für die Entwicklung der Körperschule Pilates waren tatsächlich das Yoga und Tai Chi. Das heißt, in Pilates finden sich viele Übungen aus diesen beiden Bereichen wieder. Ziel des Pilates ist es, den Körper gleichmäßig zu entwickeln. Falsche Körperhaltungen sollen durch das Pilates korrigiert und die körperliche Vitalität unterstützt werden. Hinzu kommt auch beim Pilates der Dreiklang von Körper, Geist und Seele. So sollen nicht nur der Körper gestärkt, sondern auch der Verstand „beseelt“ und der Geist „aufgerichtet“ werden. Mit diesem Grundverständnis von Pilates könnte man auch das Yoga charakterisieren.

Pilates, wie geht das? Unterschiede zum Yoga

Auf den ersten Blick ist die Ähnlichkeit und Verwandtschaft zwischen diesen beiden Formen der Körperertüchtigung und Entspannung sehr groß. Bei einem genaueren Blick aber wird man jedoch feststellen, dass sich das westliche Pilates zum Teil sehr deutlich vom fernöstlichen Yoga unterscheidet. Während die indische Lehre beispielsweise fast ausschließlich ohne Hilfsgeräte auskommt – bequeme Kleidung, die meist eng anliegt, um bei der Ausführung der Körperübung nicht zu stören, und einer Yogamatte, auf der die Übungen ausgeführt werden –, bedient sich Pilates einer ganzen Reihe von Hilfsmitteln und Geräten. Zwar gibt es auch eine Pilates-Form, bei der nur Matten verwendet werden („Matten-Pilates“), doch für die meisten Pilates-Übungen kommen entsprechende Übungsgeräte zum Einsatz.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist die nicht sichtbare Atemtechnik zwischen Pilates und Yoga. Während man bei der fernöstlichen Atemtechnik ausschließlich durch die Nase ein- und ausatmet, wird beim Pilates zwar durch die Nase eingeatmet, aber das betonte Ausatmen erfolgt ausschließlich über den Mund. Beim Pilates gilt die besondere Aufmerksamkeit dem sogenannten „Powerhouse“ (Kraftwerk). Gemeint ist damit die Muskulatur der Körpermitte wie die Bauchmuskeln, der Beckenboden, die Rückenmuskulatur und die Oberschenkelmuskulatur. Yoga dagegen konzentriert sich vor allem auf die Atmung, die Beweglichkeit des gesamten Körpers und die inneren Ausgeglichenheit des Übenden.

Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Körperübungs- und Entspannungsformen ist der geistig-philosophische Hintergrund. Hier gibt es diametrale Unterschiede. Yoga stellt sich beispielsweise als eine sehr komplexe Konstruktion und Modell für den persönlichen Lebensstil dar. Pilates dagegen knüpft an das klassisch-europäisch Gedankengut an: „In einem gesunden Körper, wohnt ein gesunder Geist“. Bereits die alten Römer prägten diesen Ausspruch.

In den letzten Jahren gab es einige Versuche, Pilates und Yoga unter einen Hut zu bringen. Herausgekommen sind Kurse wie „Yogilates“, „Yogalates“ oder „Yolates“. Dabei muss jedoch ein enormer Spagat zwischen beiden Konzepten gemacht werden. Allerdings bietet die Kombination Interessierten die Möglichkeit, sich nicht zwischen Pilates oder Yoga entscheiden zu müssen. In Abhängigkeit vom gesundheitlichen Zustand und der eigenen körperliche Fitness kann das persönliche Trainingsprogramm aus gut miteinander kombinierten Übungen aus beiden Trainingsformen optimal gestaltet werden. Das heißt also nicht, dass nicht auch Pilates etwas für Anhänger von Yoga ist. Hier muss jeder selbst ausprobieren, womit er besser auskommt. Während die einen Pilates präferieren, ziehen andere Yoga vor und eine dritte Gruppe kann mit beiden ganz gut umgehen.

Pilates – Was wird trainiert?

Pilates sind Übungen zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Haltung. Die Übungen werden in der Regel in sitzender oder liegender Position durchgeführt und sind ein ganzheitliches Fitnessprogramm. Sie sind verhältnismäßig einfach zu erlernen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass Pilates kein geschützter Begriff ist und es entsprechend auch keine festgeschriebene einheitliche Ausbildung gibt. Das heißt, es gibt weltweit sehr unterschiedliche Angebote und Arbeitsweisen von Pilates-Trainern. Am besten man schaut sich zunächst einmal die Trainer und deren Übungen an, bevor man einen Kurs bucht.

Die Pilates-Übungen sind so konzipiert, dass man leicht in das Training einsteigen kann. Sie können der eigenen Fitness und dem individuellen Fitnessprogramm leicht angepasst werden. Im Unterschied zum Yoga sind beim Pilates die Wiederholungen entscheidend. Sie lassen sich außerdem nach und nach steigern, was zu einem Anstieg der Fitness und zum Aufbau der Muskulatur führt. Besonderer Nebeneffekt ist dabei das Abnehmen, also die Reduktion von Körperfett.

Warum Pilates machen?

Aber auch Pilates dient dazu, abzuschalten und vom Alltag einmal abzuschalten. Die geistige Entspannung kommt ähnlich wie bei der progressiven Muskelentspannung durch die körperliche Ertüchtigung. Im Gegensatz zum Yoga spielt bei Pilates das Thema Spiritualität jedoch keine große Rolle. Beim Pilates kommt eine spezielle Atemtechnik zum Einsatz, um die Effektivität der Übungen und die geistige Entspannung zu unterstützen. Sie spielt jedoch keine übergeordnete Rolle wie beim Yoga.

Es gibt zahlreiche Forschungsergebnisse und Studien, die dem Pilates eine hohe Wirksamkeit bei Dysfunktionen der unteren Rückenmuskulatur sowie der Beckenbodenmuskulatur bescheinigen. Es gibt einige wesentliche Zusammenhänge, dass Probleme mit der unteren Rückenmuskulatur mit Funktionsstörungen des „deep muscle corset system“ (DMCS) – Tiefenmuskulatur-Korsettsystem – zusammenhängen. Auch hier übernehmen die Krankenkassen im Rahmen des Präventionsprinzips die Kosten für Pilates-Kurse zur Vermeidung spezifischer Risiken und stressabhängiger Erkrankungen.

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